Brauchtum

Erlebtes Brauchtum in der Gemeinschaft

„Nirgends in der ganzen Umgebung haben sich so viele alte Bräuche und Feste erhalten wie zu Nordweil, es kam das wohl von Klosterzeiten her." So schrieb im Jahre 1925 Pfarrer Fridolin Götz, ein gebürtiger Nordweiler. In seinem Buch „Sonnenschein, Erinnerungen aus der Kindheit" schildert er seine Begegnungen und Erlebnisse mit diesem Brauchtum im vorigen Jahrhundert. Viele dieser alten Bräuche haben sich, bedingt durch die Zeitverhältnisse, geändert oder sind ganz verschwunden. Über eines soll nun im folgenden erzählt werden, auch so, wie sie die ältere Generation von Nordweil vor etwa 60/70 Jahren erlebt hat und sich daran erinnert. Es soll aber auch erwähnt werden, was aus diesem Brauchtum geworden ist.

 



 

Der Bachdatscher und die Nordweiler Fasnet

Wenn früher nach der Nordweiler Fasnet gefragt wurde, hieß es: „Da rennen Bachdatscher rum und rußeln."
Der Bachdatscher, die traditionelle Nordweiler Fastnachtsgestalt, ist schon alt, der damit verbundene Brauch des Rußelns vermutlich auch. Pfarrer Fridolin Götz (geb. 1868) hat schon als Junge mit ihm Bekanntschaft gemacht, doch ist anzunehmen, dass die Anfänge des Bachdatschers viel weiter zurückliegen.

Götz schreibt: „Große Anziehungskraft hatte die Fasnet (Fastnacht). Da verkleideten sich größere Burschen in alte Frauenröcke, setzten eine Larve vor das Gesicht, wobei recht hässliche, besonders feurig-rote und braun-schwarze 
Teufelsmasken mit Hörnern die imponierendsten waren. An einem langen Stock trugen diese Fasnetsnarren einen alten Lumpen gebunden, den sie im Bach netzten. Dies trug ihnen den Namen „Bachdatscher" ein. Manchmal hatten sie auch noch die Hände mit Ruß oder Wagenschmiere eingerieben. Sobald ein Bachdatscher auftauchte, rief es ihm neckend entgegen: „Bachdatscher, mit dem Lumpe, mach die alte Wiwer gumpe!" (Anmerkung: gumpe = hüpfen, Sprünge machen). Wer dann aber nicht schnell Reißaus nahm, erhielt von dem ihn verfolgenden Bachdatscher den nassen Lumpen um die Ohren geschlagen oder das Gesicht schwarz gemacht. Uns erwischte er nicht, dagegen wunderten wir uns, dass die Mädchen so oft gefangen und schwarz gemacht wurden......Es war ja viel Rohheit im ganzen Fastnachtstreiben, aber uns Kindern war es ein Fest, und wir waren ganz unzufrieden, wenn einmal wenige oder gar keine Bachdatscher sich sehen ließen."

In der Kindheit von Fridolin Götz waren es anscheinend nur die „größeren Burschen", die als Bachdatscher auftraten, in späteren Jahren verkleideten sich auch Schüler als Bachdatscher, dies aber nur in der Woche vor der Fasnet. In der damaligen Zeit konnte sich nicht jeder Junge eine Larve kaufen. Dann behalf man sich, indem man ein durchsichtiges Tuch vor das Gesicht band oder sich aus „Pappedeckel" seine eigene Larve bastelte, hässlich und angstmachend sollte sie sein. Die so entstandenen Larven sahen oft viel interessanter aus als die gekauften.Als Kopfbedeckung trugen die Bachdatscher Kopftuch oder Hut oder beides, um Bauch und Beine banden sie sich Strohseile. So tobten sie durchs Dorf, einzeln oder in Gruppen, lauerten oder schlichen, stießen ein schauerlich dumpfes „Hoooh!" aus, wenn sie jemanden entdeckten, und freuten sich, wenn sie ihn verrußeln konnten. Am Sonntag ruhte der Bachdatscher, dafür vergnügten sich die Erwachsenen beim Kappenabend in der Wirtschaft. 



Wenn am Fastnachtmontag oder -dienstag die „großen Bachdatscher" herrschten, war es ratsam, Türen und Fenster zu verriegeln, denn sie drangen auch in die Häuser ein, besonders wenn sich junge Mädchen oder Frauen darin aufhielten. Wer sich auskannte, benutzte sogar Hintertüren und Schleichwege. Man erzählt, dass die Geduld eines Bachdatschers, der ein junges Weib verrußeln wollte, auf eine harte Probe gestellt wurde. Erst gegen Abend gelang es ihm, dann nämlich, als sie auf dem Melkstuhl saß. Sie wurde dann schwarz gemacht wie die Nacht und das, wie alte Überlieferungen besagen, nicht nur im Gesicht.






"Hoorig, hoorig, hoorig isch die Katz, un wenn die Katz nit hoorig wär, dann fängt sie keine Mäuse mehr!"

"Fedrig, fedrig, fedrig isch das Huhn. Und wenn das Huhn nit fedrig wär, dann legt es keine Eier mehr!"

"Aldi Rungunggle, het d`Bohne vubrännt, isch middem Kochleffel d`Schdäge nagrännt."

So scholl es auf den Straßen und aus den Häusern, Fastnachtrufe, die inzwischen hinzugekommen waren. Auch die „Maschgili" sangen ihn, wenn sie durchs Dorf spazierten. Maschgili waren Mädchen, die sich „fein verkleidet" hatten, z.B. als Prinzessin oder feine Dame (heutzutage nennt man in Nordweil alle verkleideten Narren, mit Ausnahme des Bachdatschers, Maschgili). Maschgili, Männer und alte Leute wurden von den Bachdatschern in Ruhe gelassen. Wenn abends die Betzeitglocke läutete, hatte der Bachdatscher zu verschwinden. Hielt er sich nicht daran, wurde er vom „Bott" (Dorfbote und Ordnungshüter) heimgejagt.

Am Dienstagabend wurde die Fasnet begraben Unter Heulen und Klagen trug man einen (meist alkoholisierten) Narren auf einer Leiter durch das Dorf und warf ihn am Ende in den Dorfbach. Später ließ man von dieser rohen Unsitte ab und ersetzte die Person durch einen „Butz" (eine mit Heu oder Stroh ausgestopfte Puppe). 

Nachdem im Jahre 1944 der Dorfbach „verdohlt" worden war, fehlte dem Bachdatscher ein wichtiges Element für ein namengerechtes Auftreten: der Bach.
Fortan musste er seinen Lumpen im Dorfbrunnen netzen. Dann klatschte er ihn auf die Straße, dass der Dreck hoch aufspritzte. Vereinzelt sah man auch Bachdatscher mit „Soiblodere".

Als sich nach dem Zweiten Weltkrieg Lebensstil und Struktur der Bevölkerung zunehmend änderten, fand die derbe Nordweiler Fasnet immer weniger Verständnis. Man suchte andere Möglichkeiten, orientierte sich dabei auch am Brauchtum anderer Orte oder Gegenden. So gab es neben dem Bachdatschertreiben auch noch Umzüge und Maskenbälle, einmal sogar einen Elferrat.

In den 70er Jahren entschlossen sich die Vereine gemeinsam zu einer Umgestaltung. Man gründete unter Mithilfe der Narrenzunft Welle-Bengel, die auch Pate sind, die „Narrenzunft Bachdatscher". Ein neuer, veredelter Bachdatscher wurde geschaffen, der auf das Rußeln während den Umzügen (fast) ganz verzichtet und auch in seinem Erscheinungsbild wenig Ähnlichkeit mit dem alten hat. Auch Mädchen und Frauen ist es gestattet, das Bachdatscher-Häs zu tragen.
 
 

Das Häs


Die Gestaltung des Häs lag in den Händen von Klaus Eschbach. Nach dem Originalentwurf aus dem Jahr 1976 sieht die Häsordnung so aus: Holzlarve (hergestellt von G. Rieder), dreiteiliges Häs aus Spättlekopftuch, Spättlerock, Spättleumhang (Farbe: dunkelblau mit Punkten, blau mit Karo, rot und grün), schwarze, knielange Cordhose mit Zotteln, rote Strümpfe, Strohschuhe, schwarze Handschuhe, Haselnuß- oder Buchenstock (gedrillt gewachsen und gebeizt) mit Saublodere. Kindern bis zu 12 Jahren ist das Hästragen ohne Larve erlaubt.





Die Bachdatscher nehmen vor der Fasnet an zwei Umzügen von Fremden Zünften teil. Diese werden vom Narrenrat bestimmt. Angeführt werden die Bachdatscher am Umzug vom Handgeschnitzten Bachdatscher-Däfeli, dem Musikverein mit 40-50 Mann, der Standarte, dem Narrenrat und je nach Termin und Wetterlage 60-120 Bachdatscher.









 

Der Bachdatscherbrunnen

Die Narrenzunft entschloss sich im Rahmen ihres 30 jährigen Jubiläums im Februar 2006, einen Narrenbrunnen zu bauen. Es entstand in zentraler Lage ein gepflasterter Platz mit integriertem Bachlauf, wie er früher durch Nordweil floss. Das Highlight des Platzes sind die beiden vom Bahlinger Künstler, Michael Schwarz, gefertigten Bronze-Bachdatscher, die auf einer Brücke platziert sind. Während dem Jubiläum war der Platz für die Besucher die Anlaufstation. Aber auch das Drumherum mit den geschmückten Strassen, den närrischen Butzen oder die abendliche Stimmung mit den Lichterketten ließen eine hochnärrische Stimmung während der Brunneneinweihung und dem Narrentreffen aufkommen.